Die Abstraktion der Dinge
Marianne Mangels im Dialog mit Louise Stomps
Haus Coburg | Städtische Galerie Delmenhorst
18. März – 11. Juni 2023
Einleitung
Mit den Skulpturen von Marianne Mangels und Louise Stomps treffen im Haus Coburg zwei Künstlerinnen aufeinander, die sich auch zu Lebzeiten begegnet sein könnten. Beide haben in Berlin gelebt. 1932 heiratet Marianne Frommholz den Studienkollegen ihrer älteren Schwester, Johannes Mangels, der drei Jahre zuvor sein Examen an der Hochschule für Kunsterziehung absolviert hatte und im Anschluss ein weiteres Jahr an der Akademie studierte. Auch Louise Stomps besucht die Akademie in den Jahren 1928 bis 1932 und parallel dazu die Bildhauereiklasse von Milly Steger, die im Verein der Berliner Künstlerinnen am Schöneberger Ufer 38 stattfindet. Dieser Kurs, der bis 1942 existierte, findet sich wiederum im Lebenslauf von Marianne Mangels. Nachdem ihr Mann 1939 zum Kriegsdienst eingezogen wurde, wohnt sie nachweislich noch 1942 in der Kurfürstenstraße 48. Nicht weit entfernt, in der Neuen Grünstraße 40, hat Louise Stomps seit 1936 ein Atelier.
Ob sie sich in der Klasse von Milly Steger kennenlernen, ist nicht bekannt. Dass sich Frauen der Bildhauerei widmen, ist allerdings in diesen Jahren die Ausnahme. Zusammen mit dem Wahlrecht öffnet sich die Option eines Kunststudiums für Frauen im November 1918. In den Bildhauereiklassen der Akademien bilden sie aber lange eine ausgesprochene Ausnahme. Milly Steger, über die Käthe Kollwitz in einem Tagebucheintrag bemerkt: „Sie arbeitet wie ein Mann“, hatte sich in der Bildhauerei durchgesetzt. Mit öffentlichen Bauaufträgen und nackten Figuren, machte sie im ganzen Kaiserreich von sich reden. In ihrer Plastik greift sie den damals populären Ausdruckstanz auf, schafft naturalistische Körper, die ganz klassisch über ein Standbein und ein Spielbein verfügen, und eine formvollendete fließende Haltung einnehmen. Marianne Mangels und Louise Stomps beschäftigt zeitgleich die Abstraktion, ohne dass sie den menschlichen Körper als Bezug aufgeben. Es lässt sich an verschiedenen Werken der Ausstellung nachvollziehen, wie die menschlichen Emotionen in der Bewegung oder Erstarrung des Körpers durchdekliniert werden. Dass sich diese Werke in eine ganz andere Richtung entwickeln als bei Milly Steger, hat sicher auch mit ihrer Lehre zu tun. Es ist ihr ein besonderes Anliegen, nachfolgenden Frauen die Ausbildung zur professionellen Künstlerin zu erleichtern. Befragt nach ihren Reformvorstellungen für das Kunststudium, antwortet sie 1918:
„Ich (…) möchte insbesondere Gewicht auf die handwerkliche Ertüchtigung legen; im übrigen bin ich dafür, dass dem Schüler durch den Unterricht der Weg zu seinem eigenen Ich, zu seiner eigenen Art, die Dinge zu sehen und zu empfinden, und zu seiner eigenen künstlerischen Offenbarung gewiesen wird. – Für selbstverständlich halte ich es, dass in einem sozialistischen Staat alle Beschränkungen hinsichtlich der Aufnahme von begabten Frauen in den Unterrichtsanstalten wegfallen.“
Milly Steger 1918
In dieser Haltung wurden Marianne Mangels und Louise Stomps von Milly Steger gefördert. Und es ist eine weitere Parallele in ihren Biografien, dass sie sich nach dem Zweiten Weltkrieg aus dem künstlerischen Zentrum Berlin zurückziehen, aber die Bildhauerei nie aufgaben.
Im Oktober 1963 sind Skulpturen von Louise Stomps bei einer Ausstellung im Oldenburger Kunstverein vertreten. Wieder eine Gelegenheit, bei der sie Marianne Mangels getroffen haben könnte, denn Marianne Mangels war Mitglied des Bundes Bildender Künstler in Oldenburg. Ganz zweifelsfrei treffen sich ihre Werke in der hier dokumentierten Ausstellung im Haus Coburg. Zustande gekommen ist diese Begegnung durch eine Buchpublikation, die der Mediziner und Kunstsammler Arnd Siegel zusammengestellt hat und durch einen Dachbodenschatz, der bei Friedrich Cordes gehoben werden konnte. Arnd Siegel stieß mich durch seine Anfragen nach Werken von Marianne und Johannes Mangels in der Städtischen Kunstsammlung auf die Kleinplastiken von Marianne Mangels, als ich die Leitung im Huas Coburg 2021 übernahm. Als ich neugierig geworden war und mehr von dieser Künstlerin sehen wollte, wies mich Arnd Siegel auf Friedrich Cordes hin. Er wuchs in den 1950er Jahren in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Eheleuten Mangels auf. Eine Skulptur, die bei ihnen im Garten stand, hat er täglich auf dem Schulweg gesehen. Später versuchte er sie der Künstlerin abzukaufen aber Marianne Mangels ließ sich nicht erweichen. Nach ihrem Tod scheute Friedrich Cordes keine Mühen und kaufte alle Werke der Künstlerin auf, denen er habhaft werden konnte. Es ist vor allem seiner Beharrlichkeit geschuldet, dass die Kunst von Marianne Mangels 33 Jahre nach ihrem Tod im Haus Coburg erneut und umfänglich gezeigt werden kann.
Diese Ausstellung wurde von vielen Menschen unterstützt. Christiane Meister hat in den Berliner Archiven nach Spuren von Marianne Mangels gesucht und einen Schriftsatz aufgespürt, der belegt, dass die Künstlerin 1942 noch in Berlin lebte. Arndt Siegel hat mir Unterlagen zur späteren Familiengeschichte zur Verfügung gestellt und Friedrich Cordes die Leihe seiner Werke zugesichert. Er ist im August 2022 mit 90 Jahren gestorben aber seine Kunstsammlung befindet sich heute als Dauerleihgabe der Von-der-Heyde-Cordes-Stiftung in der Städtischen Galerie Delmenhorst. Das ist dem Zusammenwirken von Uwe Claassen und Jürgen Knapp zu danken, die den Wunsch von Friedrich Cordes, diese Werke wieder nach Delmenhorst zu bringen, in die Tat umgesetzt haben. Ohne die großzügigen Leihgaben der Enkel von Louise Stomps, Berthold Kogut und Peter Schrader, wäre der Dialog der Künstlerinnen in Delmenhorst nicht zustande gekommen. Schließlich würde es diese digitale Präsentation ohne die grafische Expertise und die Geduld von Christine Claussen nicht geben.
Weder die Ausstellung noch die hier vorliegende Publikation hätten ohne die großzügige Unterstützung durch die Niedersächsische Sparkassenstiftung, die LzO Stiftung Kunst und Kultur, die Von-der-Heyde-Cordes-Stiftung und das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur realisiert werden können.
Ihnen allen möchte ich sehr herzlich danken.
Matilda Felix
Direktorin, Haus Coburg | Städtische Galerie Delmenhorst
Impressum
Diese digitale Publikation erscheint anlässlich der Ausstellung:
Die Abstraktion der Dinge.
Marianne Mangels im Dialog mit Louise Stomps
Haus Coburg I Städtische Galerie Delmenhorst
18. März bis 11. Juni 2023
Dr. Matilda Felix |
Viktor Hömpler |
Wiebke Rolfs |
Simone Stelter |
Karsten Kroner |
Susanne Kuhwald |
Safije Ademova |
Michaela Odenmatt |
Johanne Jordan, Celina Nakphanich |
Jasmin Richter |
Sabine Anbau
Jana Drewniok
Karin Görtz
Rudolf Hörsch
Rosemarie Meineke
Margrit Meyer
Dagmar Mönchmeyer
Dagmar Rischke
Tobias Stelter
Annette Wessel |
Digitale Publikation
Für das Haus Coburg I Städtische Galerie Delmenhorst herausgegeben von Matilda Felix
Matilda Felix |
Matilda Felix |
Christine Claussen und Ruben Lyon |
Jens Weyers |
Matilda Felix |
|
40 Degrees (Selma Losch, Kilotype)
Authentic Sans (Christina Janus and Desmond Wong)
GT Pressura Mono (Grilli Type) |
© Haus Coburg | Städtische Galerie Delmenhorst, die Herausgeberin, die Designer:innen und die Fotograf:innen, 2025
Haus Coburg | Städtische Galerie Delmenhorst
Fischstraße 30
27749 Delmenhorst
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www.hauscoburg.de
Für die finanzielle Förderung der Ausstellung und der Publikation geht unser besonderer Dank an die Niedersächsische Sparkassenstiftung, die LzO Stiftung Kunst und Kultur, die Von-der-Heyde-Cordes-Stiftung und das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur.
Es gilt das Impressum und die Datenschutzerklärung von Haus Coburg | Städtische Galerie Delmenhorst:
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